Das Ravensburger Spectrum veröffentlicht an dieser Stelle die "Analyse des aktuellen Regionalplans", den die "Scientists for Future Ravensburg" im Januar/Februar unter der Leitung von Sebastian Mühlbach, Dipl.-Betriebsw. (BA), Dipl.-Phys., nexiles GmbH - und Manfred Walser Dipl. Verwaltungswissenschaften, Walser.Beratung, erstellt hatten.
Im Prolog der umfangreichen Analyse, an der u.a. auch Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Ertel von Hochschule Ravensburg-Weingarten, und Dipl.-Agr. Biol. Ulfried Miller, Geschäftsführer des BUND Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben mit gearbeitet haben, heißt es:
>>> Die Analyse finden Sie hier <<<
"Die Raumplanung nimmt in verschiedener Hinsicht Einfluss auf die Ziele des Klimaschutzes und der Regionalplan ist die verbindliche Planungsgrundlage für die Region bis zum Jahr 2035. Bis zum Jahr 2030 muss unsere Gesellschaft – und auch die Region Bodensee-Oberschwaben – viel CO2 einsparen, um ihre Klimaziele zu erfüllen. Je nach Quelle sind dies bis 2030 weitere 13% (Klimaziele der Bundesregierung) bis 43% (neuere wissenschaftliche Erkenntnisse) CO2- Äquivalente (CO2e). In den Jahren 2010-2017 hat die Region Bodensee-Oberschwaben nur 7% Einsparungen erreicht. Es sind also noch deutlich größere Anstrengungen notwendig.
Des ungeachtet setzt der vorliegende Planentwurf auf ein starkes Wachstum bei Bevölkerung, Siedlungs- und Gewerbeentwicklung. Die Einschätzung, wie sich verschiedene gesellschaftliche Einflussfaktoren entwickeln, ist eine qualitative Einschätzung. Im Regionalplan werden Annahmen zur Entwicklung der Bevölkerungszahlen und zur wirtschaftlichen Entwicklung getroffen. Daraus wird der künftige Siedlungs- und Gewerbeflächenbedarf abgeleitet. Diesen Annahmen liegen Szenarien zugrunde, wie sich die politisch Verantwortlichen die Gesellschaft der Zukunft vorstellen. In der Region Bodensee-Oberschwaben stellen sie sich die Zukunft als ein „Weiter so“ bezogen auf die starken Wachstumsjahre 2017-2019 vor, die den Szenarien zugrunde gelegt werden. Damit zeigen sie in der Region einen unbedingten Willen zum Wachstum. Der gesamte Flächenverbrauch in der Region Bodensee-Oberschwaben erscheint zu hoch.
Schon der Vergleich mit anderen Regionen und die Flächenausweisungen der letzten Jahre zeigen, dass der Wille zum Flächensparen in den Kommunen schwach ausgeprägt ist. Umso wichtiger wäre eine Steuerung der Siedlungsentwicklung durch die übergeordnete Planungsebene. Das leistet der Regionalplanentwurf nicht. Das Ziel der Bundesregierung, die Neubeanspruchung von Flächen auf 30 ha/Tag zu begrenzen, wird klar verfehlt. Die derzeitigen Bedarfsplanungen nehmen mehr als das Doppelte in Anspruch. Der überhöhte Flächenverbrauch ist eine zusätzliche Belastung für den Klimaschutz. Die Festlegungen im Regionalplanentwurf sind aus wissenschaftlicher Sicht nicht dazu geeignet, die politischen Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Das verbleibende CO2e-Budget der Region, das die Einhaltung des 1,5 °C-Ziels ermöglichen würde, wird vermutlich 2025 aufgebraucht sein. Das angenommene vom Regionalverband entwickelte Wachstumsszenario führt gegenüber dem Status quo sogar noch zu einem zusätzlichen Ausstoß von ca. 3 Mio t CO2e bis 2050.
Der Planentwurf erfüllt weder die selbst gesteckten Klimaschutzziele der Region noch die internationalen Verpflichtungen Deutschlands zur Reduktion der Treibhausgas- Emissionen.
Warum befassen sich die S4F mit dem Regionalplanentwurf
Planung hat die Aufgabe, der Gesellschaft Spielräume und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Damit sie das kann, braucht sie eine Vorstellung davon, wohin der Weg gehen soll. Also wie man sich ungefähr die Zukunft vorzustellen hat. Im Pariser Abkommen haben sich die Nationalstaaten verpflichtet, die Erderwärmung auf < 2 oC, idealerweise auf 1,5 oC zu begrenzen. Das Abkommen wurde von 195 Staaten ratifiziert, darunter auch von der Bundesrepublik Deutschland. Es ist damit internationales Recht. 2016 hat Deutschland den Klimaschutzplan 2050 beschlossen und damit seine Verpflichtung konkretisiert.
Als Zwischenziel wurde festgelegt, dass allein bis zum Jahr 2030 mindestens 55% weniger Treibhausgas emittiert werden soll als im Jahr 1990. Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen um 70% gesenkt werden und bis 2050 soll Deutschland dann weitgehend klimaneutral sein.1 Die Raumplanung nimmt in verschiedener Hinsicht Einfluss auf die Ziele des Klimaschutzes: 2
1 Sie plant Raum- und Siedlungsstrukturen (Gebäude und die notwendigen Infrastrukturen). Diese Strukturen können energiesparende, dichte Bebauungsstrukturen und Bauweisen erzwingen, den infrastrukturellen Aufwand pro Gebäude verringern und die Kfz-Fahrleistungen minimieren
2 Sie legt Trassen für den Verkehr sowie Ladeinfrastruktur für E-Mobilität und dergl. fest und gestaltet damit die Rahmenbedingungen für den künftigen Verkehrsmix“ (Modal Split“).
3 Sie schützt reale und potenzielle Senken (Speicher) für klimawirksame Gase durch die Sicherung von Flächen mit hohem CO2-Bindungspotenzial (z.B. Moore, Böden, Wälder, Grünflächen), durch eine möglichst sparsame Ausweitung von versiegelten Flächen und die Ausweisung zusätzlicher Grünflächen durch Rückbau.
4 Sie legt Vorrangflächen für den Ressourcenverbrauch fest und sichert damit die Versorgung mit Primärrohstoffen (in unserer Region vor allem Steine, Kies und Sand für den Bausektor), gleichzeitig entzieht sie diesen Flächen ihre Funktion als CO2-Senke. In der Niederschrift der Verbandsversammlung (Beschlussfassung zur zweiten Offenlegung) wurden zum Klimaschutz als Aussage von Verbandsdirektor Wilfried Franke protokolliert, „beim Klimaschutz fehle das Instrumentarium, da das Landesplanungsgesetz das nicht vorsehe. Das müsse in den Regionalen Grünzügen versteckt werden - Schwerpunkte für Durchlüftung".
Einmal abgesehen davon, dass das Thema „Durchlüftung“ kein Thema des Klimaschutzes ist, sondern ein Thema der Anpassung an den drohenden Klimawandel, zeigt diese Aussage, dass sich das Gremium und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle ihrer Handlungsmöglichkeiten beim Klimaschutz zu wenig bewusst sind. Der Regionalplan ist in der Regel auf einen Zeitraum von rund 15 Jahren ausgelegt. Der hier analysierte Entwurf des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben soll bis 2035 gelten. Seine klimatischen Auswirkungen müssen mit den Klimaschutzzielen Deutschlands bis 2030 verglichen werden.
1 Quelle: Klimaschutzplan 2050,
https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klimaschutzplan_2050_bf.pdf.
2 Siehe ausführlich in Anhang 2 der Analyse.
Aus diesem Grund hat die Scientists for Future- Regionalgruppe Oberschwaben beschlossen, den Entwurf des Regionalplans hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Klimakrise zu analysieren."